Jährlich verlieren in Deutschland über 150.000 Menschen plötzlich das Hörvermögen. Meist ist der Hörverlust auf ein Ohr beschränkt. Gibt es keine direkt erkennbare Ursache für die plötzliche Hörminderung, etwa eine starke Lärmbelastung (Explosion) oder ein Unfall, so nennt man diesen plötzlichen Hörverlust Hörsturz. Häufig ist der Hörsturz von Ohrgeräuschen (Tinnitus) begleitet. Seltener treten auch Schwindel und Druckgefühl im Ohr auf.
Genaue Ursachen sind nicht vollständig geklärt
Über die genauen Ursachen des Krankheitsbilds Hörsturz existiert noch Unklarheit. Ein Grund könnte sein, dass die Blut- und Energieversorgung des Innenohres gestört ist. Dann können die Haarzellen in der Schnecke des Innenohres, deren Aufgabe es ist, die mechanischen Schallwellen in elektrische Impulse, also Nervenerregungen umzuwandeln, nicht mehr funktionieren. Dies kann auch durch Viren und Entzündungen hervorgerufen sein oder durch Fehlsteuerungen des Stoffwechsels. Seelische Ursachen und negative Stressbelastung in Beruf und Familie können auch plötzliche Hörminderungen auslösen, wahrscheinlich ebenfalls, weil sie zu einer schlechten Blut- und Energieversorgung des Innenohres führen können, wenn auch nur vorübergehend.
Bei akuter Hörminderung zum HNO-Arzt!
Sie können bei einer akuten Hörminderung ruhig eine Nacht abwarten, denn sehr häufig kommt das Gehör nach kurzer Zeit (spontan) wieder. Sollte jedoch der Hörverlust nach 24 bis 48 Stunden immer noch bestehen, sollten Sie als Eilfall zügig einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt aufsuchen. Dieser wird dann rechtzeitig die notwendige Behandlung einleiten. Zudem wird er die notwendige Diagnostik wie Ohruntersuchung und Hörprüfungen durchführen, um damit einen Hörsturz von anderen möglichen Ursachen abzugrenzen.
Die Therapie des Hörsturzes bestand bislang in einer klassischen Infusionsbehandlung zur Verbesserung der Durchblutung. Nach der neuen Leitlinie Hörsturz (AWMF-Deutsche Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie) wird diese jedoch hauptsächlich als Therapie mit Kortison zum Schutz des Innenohres und zur Einleitung von „Reparaturmechanismen“ beschrieben, da nur hierfür wissenschaftliche Belege existieren. Im Einzelnen sieht die Behandlung wie folgt aus:
Nach einer Untersuchung des Ohrs und einer Hörprüfung erhalten Sie in der Regel täglich Kortison hochdosiert als Infusionen in einer Kochsalzlösung. Dadurch soll das Innenohr besser versorgt und geschützt werden. Diese Infusionsbehandlung wird an zehn aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt. Bei akuten Ohrgeräuschen wird man ähnlich behandeln, jedenfalls wenn ein Hörverlust besteht, auch wenn dieser nur gering ausgeprägt ist.
HAES als Lösung zur Erhöhung des Blutvolumens wird wegen der Nebenwirkungen für die Hörsturzbehandlung heute gar nicht mehr empfohlen. Andere Therapieverfahren wie Medikamente gegen Viren oder Ginkgo-Präparate sind wissenschaftlich nicht ausreichend belegt und werden daher in der Leitlinie ebenfalls nicht empfohlen. Auch für die Sauerstoffüberdruckbehandlung gibt es noch keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege, immerhin liegen hierfür aber einige positive Studien vor.
Sollte eine derartige Kortison-Therapie nach fünf bis zehn Tagen keine Besserung des Hörvermögens erreicht haben, dann kann – wiederum nach der Leitlinie Hörsturz – die Kortisongabe auch direkt in das Mittelohr („intratympanal“) erfolgen. Dazu wird das Trommelfell lokal betäubt und mit einer Spritze das Kortison direkt in das Mittelohr gegeben. Der Patient muss dann eine Zeit auf der Seite liegen, damit die Lokalbehandlung einwirken kann. Auch diese Behandlung wird drei- bis fünfmal innerhalb einer Woche durchgeführt.
Sinnvoll ist auf jeden Fall, sich nach einem Hörsturz Ruhe zu gönnen. Der HNO- oder der Hausarzt werden Sie daher eventuell krankschreiben, Sie sollten sich beruflich und familiär entlasten, wenn das möglich ist. Zur Behandlung werden Sie manchmal in ein Krankenhaus überwiesen. Sie gewinnen so Abstand von beruflichen oder familiären Belastungen. Dies gilt umso mehr, wenn Sie psychisch belastet sind.
Wenn die Behandlung frühzeitig beginnt, kann in den meisten Fällen das Gehör wieder völlig hergestellt werden. In vielen Fällen behebt sich der Hörsturz auch von selbst. Es ist aber nie abzusehen, ob eine Spontanheilung einsetzt. Eine baldige ärztliche Untersuchung und Behandlung ist daher unbedingt anzuraten!
In manchen Fällen bleibt nach einem Hörsturz ein Hörverlust erhalten. Oft hilft dann das Tragen eines Hörgerätes und bei Ertaubungen ein Cochlea-Implantat. Manchmal bleibt auch ein Tinnitus, selbst nachdem Ihr Hörvermögen wieder hergestellt ist. Hierfür gibt es viele Hilfen und die Deutsche Tinnitus-Liga stellt dazu ein umfangreiches Angebot bereit.
Sie können Ihre Ohrgeräusche früher oder später als wohlgemeinte Mahnung auffassen. Vermutlich haben Sie im körperlichen oder seelischen Bereich Grenzen überschritten. Deswegen vernehmen Sie ein Warnsignal. Gehen Sie der Sache auf den Grund. Prüfen Sie Ihre Lebenssituation und scheuen Sie sich nicht, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Selbst wenn Ihr Tinnitus bleibt, sollten Sie nicht die Hoffnung aufgeben. In den allermeisten Fällen verliert ein anfänglich als belastend empfundener Tinnitus zunehmend an Intensität. Hierzu können und sollten Sie aktiv beitragen. Berücksichtigen Sie zum Beispiel folgende Verhaltensregeln:
Ruhe und positive Gedanken fördern Ihren Selbstheilungsprozess. Bemühen Sie sich also um positives Denken.
Teilen Sie Ihrem Arzt mit, ob und welche Medikamente Sie regelmäßig einnehmen. Gewisse, wenn auch nur sehr wenige Präparate können sich schädigend auf Ihr Gehör auswirken. Setzen Sie aber nie ohne Rücksprache mit Ihrem Arzt Medikamente ab.
Schenken Sie Ihrem Wohlbefinden mehr Aufmerksamkeit und befassen Sie sich mit Entspannungsübungen, besonders wenn Sie Ihren Hörsturz auf berufliche Überanstrengung und Stress zurückführen. Um zukünftig belastenden Situationen besser begegnen zu können, sollten Sie eine Entspannungsmethode erlernen. Das kann Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Yoga, Tai Chi oder ähnliches sein. Entspannungsmusik finden Sie auch in unserem Tinnitus-Shop.
Vermeiden Sie in der Akutphase jeden Stress. Eine Krankschreibung in den ersten ein bis zwei Wochen ist hier sehr hilfreich.
Gehen Sie mit Nikotin, Koffein und Alkohol vernünftig um.
Meiden Sie Lärm und laute Musik. Oder schützen Sie sich durch Gehörschutz.
Informieren Sie sich gründlich über Ihre Erkrankung, beispielsweise durch unsere Informationsbroschüre „Akuter Tinnitus und Hörsturz“, als Mitglied der Deutschen Tinnitus-Liga, in einer Selbsthilfegruppe oder durch Buchlektüre.
Körperliche Bewegung wird Ihnen gut tun.
Ziehen Sie sich nicht zurück. Fördern Sie Ihre familiären und freundschaftlichen Beziehungen und öffnen Sie Ihre Ohren.
Bei einem festgestellten stärkeren Hörverlust sollten Sie möglichst bald ein Hörgerät tragen.
Sie müssen selbst aktiv werden! Bei der Auswahl nützlicher Werkzeuge zur Bewältigung Ihres Tinnitus hilft Ihnen die Deutsche Tinnitus-Liga. Mit unabhängiger Information und nützlichen Tipps. Aber: Sie entscheiden, ob Sie dank einer guten Werkzeugkiste auch ein guter Handwerker werden.
Hören Sie auf sich, aber horchen Sie nicht in sich hinein.
Schließlich: Seien Sie kritisch gegenüber Heilsversprechen. Wer verspricht, den Tinnitus zu heilen oder sogar abschalten zu können, noch dazu für viel Geld, ist häufig unseriös! Lassen Sie sich mögliche Therapien erklären und fragen Sie nach wissenschaftlichen Beweisen.
(Quelle und mehr Informationsmaterial: Deutsche Tinnitus-Liga e.V.)