Schwerhörigkeit

In Deutschland ist etwa jeder 15. Mensch schwerhörig. Dabei ist das Gehör für die zwischenmenschliche Kommunikation von immenser Bedeutung. Das Miteinander-Sprechen gehört zu den grundlegenden Voraussetzungen unserer zwischenmenschlichen Beziehungen. Es setzt ein intaktes Hörorgan voraus. Ist die Funktion des Hörorgans durch Veränderungen im Innenohr gestört, zum Beispiel durch ständige Lärmbelastung, bei familiär bedingter Schwerhörigkeit oder einer sogenannten „Altersschwerhörigkeit“ (Presbyakusis), wird das Sprachverständnis mehr oder minder beeinträchtigt. Das zeigt sich am ehesten in einer Gesellschaft. Wir hören zwar, dass viele Menschen sprechen, können aber nicht mehr so gut verstehen. Das Richtungshören ist beeinträchtigt. Man nennt das auch „Partyschwerhörigkeit“. Das „Verstehen-Wollen“ in solchen und ähnlichen Situationen erfordert eine erhöhte Konzentration und somit einen höheren Kraftaufwand. Durch diesen ständigen Kraftaufwand und die damit verbundene Erschöpfung kommen Entspannung und Erholung nicht mehr zu ihrem Recht.

 

So ist eine Hörbehinderung nicht nur eine Störung des Hörorgans. Hörbehindert sein heißt, mit erschwerten Lebensbedingungen fertig zu werden, besonders dann, wenn damit noch andere Störungen wie Tinnitus, Schmerzen, Schwindel, Hyperakusis und Gleichgewichtsstörungen verbunden sind. Nach einer erfolgreichen Hörgeräteversorgung können die meisten Betroffenen jedoch ein relativ normales und unkompliziertes Leben führen. Dazu muss aber ausgeführt werden, dass die Versorgung mit Hörgeräten eine Zeitlang in Anspruch nimmt und nicht mit der Anpassung einer Brille zu vergleichen ist.

 

Wann beginnt eine Schwerhörigkeit?

Klagen Patienten manchmal über Kopfschmerzen, Müdigkeit, vermehrt aber über Stress-Erscheinungen oder Konzentrationsschwierigkeiten, sollte immer auch die Möglichkeit einer Hörstörung in Betracht gezogen werden. Schon leichte Einschränkungen des Hörvermögens können die genannten Folgen nach sich ziehen. Speziell in lauter Umgebung gibt es für junge und für ältere Menschen große Verständnisprobleme, die erhöhte Anstrengung zur Folge haben.

 

Neben den angesprochenen Auswirkungen auf das allgemeine Wohlbefinden sind die direkten akustischen Auswirkungen deutlichstes Zeichen für eine beginnende Hörstörung. Typisch ist die Aussage: „Ich höre wie ein Luchs, aber die Leute sprechen so undeutlich“. Solche Patienten hören tatsächlich gut und können auch alles verstehen, aber nur in wirklich ruhiger Umgebung und meist im Zweiergespräch. Denn Sprache hat bekanntlich sehr viel Zusatzinformation, die nur in Ruhe voll zum Tragen kommt, zum Beispiel die Wiedererkennung eines Wortes im Sinn-Zusammenhang. Diese Informationen werden intuitiv genutzt, um die durch den Hörverlust fehlenden Bestandteile der Sprache auszugleichen. Dieser Ausgleich funktioniert aber nicht mehr, wenn die Sprache durch Geräusche in der Umgebung gestört wird. Man spricht dann auch von Störlärm.

 

Insofern sollte immer auch ein Hörproblem vermutet werden, wenn Patienten darüber klagen, dass sie im Restaurant, auf Konferenzen, in der Schule usw. schlecht verstehen, obwohl sie sonst keine Schwierigkeiten haben. Ein weiteres Indiz ist eine abnehmende Hörweite, die früher gern mit Flüstersprache überprüft wurde. Bei diesem sehr einfachen Test muss eine Hörweite von mindestens acht Metern erreicht werden, ohne dass der Patient von den Lippen absehen kann.

 

Einteilung der Schwerhörigkeit

  • Normalhörigkeit: Ein Abweichen der Hörfähigkeit bis 20 dB wird noch als Normalhörigkeit bezeichnet.
  • Geringgradige Schwerhörigkeit: Wird das Ticken der Armbanduhr, die eine Lautstärke von etwas mehr als 20 dB hat, nicht mehr gehört, liegt bereits eine geringgradige Schwerhörigkeit vor.
  • Mittelgradige Schwerhörigkeit: Ab einem Hörverlust von 40 dB, also etwa den Grundgeräuschen in Wohngebieten am Tage, spricht man von einer mittelgradigen Schwerhörigkeit.
  • Hochgradige Schwerhörigkeit: Kann der Gesprächspartner nicht mehr gehört werden, wobei normales Sprechen etwa einer Lautstärke von 60 dB entspricht, liegt eine hochgradige Schwerhörigkeit vor. Dann besteht ein Hörverlust von mindestens 60 dB.
  • An Taubheit grenzende Schwerhörigkeit: Ein Hörverlust über 80 dB, wenn man zum Beispiel laute Musik oder die Geräusche einer sehr belebten Straße nicht mehr hört, entspricht einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Hört man praktisch nichts mehr, liegt eine Taubheit vor.

Hörgeräte – je früher, desto besser

Hörgeräte haben im Wesentlichen das Ziel, das Sprachverständnis so gut wie möglich wiederherzustellen, um dem Menschen mit Hörverlust eine gute Kommunikation in Familie und Gesellschaft zu ermöglichen. Prinzipiell gilt: je früher, desto besser! In der Regel werden Hinter-dem-Ohr-Geräte (HdO-Geräte) und Im-Ohr-Geräte (IO-Geräte) angepasst. Es können auch Hörgeräte in eine Brille integriert werden (Hörbrille). In den letzten Jahren werden verstärkt digitale Hörgeräte angeboten, die den Höreindruck wesentlich verbessern können.

 

Implantierbare Hörsysteme stehen auch zur Verfügung, sind aber noch weiterentwicklungsfähig. Eine Kostenübernahme ist bei den jeweiligen Krankenkassen einzuholen. Heute wird, wenn es eben möglich ist, mit einem HdO-Gerät offen versorgt. Das heißt, das Ohr ist nicht verschlossen, wird belüftet und alle anderen Geräusche, die nicht die Frequenzen des Hörverlustes betreffen, werden weiterhin natürlich gehört. Das ist für viele Menschen ein großer Fortschritt und eine Erleichterung.

 

Wissenschaftliche Studien haben es bestätigt: Zwischen Schwerhörigkeit und der Entwicklung einer Demenz gibt es einen Zusammenhang. Wer unter einem Nachlassen des Hörvermögens leidet, sollte deshalb über ein Hörgerät nachdenken.

 

Übung macht den Meister

Beim Hörgerät ist immer ein Gewöhnungs- und Übungsprozess notwendig, um dem Gehirn zu ermöglichen, sich auf die Hörhilfe einzustellen. Wartet man zu lange mit der Anpassung eines Hörgerätes, so hat das Gehirn die Sinneseindrücke für das richtige Hören vergessen. Das Sprachverständnis nimmt ab und lässt sich auch nur sehr schwer wieder herstellen. Die Hörgeräteanpassung wird dann für den Patienten schwieriger, der Hörgewinn schlechter. In der Regel wird der Arzt dann ein Hörgerät verordnen, wenn ein Hörverlust von mindestens 30 dB vorliegt. Der nächste Ansprechpartner ist dann der Hörgeräte-Akustiker, der nach den vorgegebenen Daten – und nach eigener Überprüfung mittels eines Hör- und Sprachtests – entsprechende Hörgeräte in die engere Wahl zieht, wobei die Ansprüche des Betroffenen an das Hörgerät, das Hörvermögen sowie die Form der Gehörgänge berücksichtigt werden.

 

(Quelle und mehr Informationsmaterial: Deutsche Tinnitus-Liga e.V.)